Lacht und freut euch, endlich mal wieder ein neuer Blogeintrag aus Paraguy =)
Es gab mal wieder allerhand zu erleben, so war ich in der letzten Woche beispielsweise im Chaco.
Der Chaco ist ein grosser Teil Paraguays, der auch Die Gruene Hoelle genannt wird.
Ich war im Chaco, um mit meinem Chef zwei Pferde abzuholen, die dem Hospital Km81 gespendet wurden abzuholen. Insgesamt waren das in 36 Stunden wohl etwas mehr als 20 Stunden Auto fahren.
Man koennte auch sagen es war GreenHelltrip 2 (gruss an konsti =))
Das lag vorallem an der Hitze und dem Nordsturm der einem dauernd den Sand ins Gesicht blaest der so schoen im verschwitzten Gesicht kleben leibt.
Trotzdem war es sehr abenteuerlich und interessant.
Der Chaco ist ganz im Gegensatz zu Ostparaguay total flach, kein einziger huegel zu entdecken.
Wir fuhren auf der Ruta Transchaco, jener Strasse die durch den ganzen Chaco fuehrt und die zur zeit meines Grossvaters damals vor 60 jahren gebautwurde.
Dazu schrieb er eine beeindruckende Geschichte in seinem Buch, Das Paradies in der gruenen Hoelle:
Als ich im Gran Chaco von Paraguay arbeitete, erschien einmal in "Reader’s Digest" ein Artikel über mich, den eine Amerikanerin verfasst hatte.
Wir hatten in unserem kleinen Buschkrankenhaus immer wieder Engpässe mit unserer Versorgung. So fehlte es eines Tages an Narkoseäther. Operieren sollten oder mussten wir aber trotzdem. Was tun? Viele Operationen kann man ja in Lokalanästhesie, also örtlicher Betäubung, machen. Aber Eingriffe in der Bauchhöhle hatte ich daheim in Deutschland noch nie mit dieser Methode gemacht. Man glaubt, das gehe nicht, weil der Patient, wenn er nicht schläft, die Därme herauspresst, so dass man nicht operieren kann. Ich musste mir also etwas einfallen lassen, bis wieder einmal eine Sendung Äther kommt. So schlug ich einem Patienten, von dem ich wusste, dass er sehr sangesfreudig war, vor, während der Operation zu singen. Er meinte: "Von mir aus gerne." Ich suchte ein paar Lieder aus und verteilte die Rollen: Patient Tenor, ich Bass, die OP-Schwester Sopran und meine Frau Alt. Ich spritzte die Bauchdecke ein, und als ich schnitt, fingen wir alle vier an zu singen, bis ich zugenäht hatte. Als ich "fertig" sagte, meinte mein Patient, der die ganze Zeit lauthals mitgesungen hatte, er habe überhaupt nichts gespürt.
Er machte dann so viel Propaganda für diese Methode, dass die meisten Patienten von da an auch "mit Gesang" operiert sein wollten. Vor der Narkose hatten die meisten nämlich viel mehr Angst als vor der Operation selber, denn wir operierten damals ja noch mit Äther-Tropfnarkose, ohne Sauerstoffapparat, ohne Lachgas, ohne Muskelrelaxantien, so dass es nach der Operation immer fürchterliche Gasbäuche gab und wir alle Mühe hatten, die Darmtätigkeit wieder in Gang zu bringen.
Einmal sagte ein Patient vor der Operation zu mir: "Ich kann aber nicht singen, oder nur sehr falsch. Nur Mundharmonika spielen kann ich, darf ich das?" "Von mir aus gern." Und so sangen wir unser Repertoire mit Mundharmonikabegleitung, das war wieder mal was Neues. Die Sache sprach sich natürlich herum, und so hatte auch jene Amerikanerin davon gehört. Ihr kam das ganze unglaublich vor, und sie fragte mich, ob sie nicht einmal dabei sein und sich selbst davon überzeugen dürfe. Der Patient war einverstanden, so erlaubte ich es ihr. "Dass ein Chirurg beim Operieren singen kann, auch seine OP-Schwester", meinte sie, "das konnte ich mir ja noch vorstellen. Aber dass ein Patient singt, wenn sein Bauch offen ist und man darin herummanipuliert, das konnte ich einfach nicht glauben."
So schrieb sie jenen Artikel, und auf diesen hin bekam ich Hunderte von Zuschriften aus der ganzen Welt.
Eines Tages kommt ein Nordamerikaner in die Sprechstunde und sagt (auf englisch natürlich): "Doktor, ich habe den Artikel in "Reader’s Digest" gelesen, aber ich glaube kein Wort davon. So etwas kann einfach gar nicht wahr sein."
"Nun, wenn Sie es nicht glauben", sagte ich, "dann müssen Sie es eben bleiben lassen. Mir macht das nichts aus."
"O nein, so leicht kommen Sie mir nicht davon. Ich habe zwei Leistenbrüche und bin extra von Montana hergeflogen, um mich von Ihnen operieren zu lassen. Mit Gesang bitte! Aber ich bin ein sehr vielbeschäftigter Mann und habe nicht viel Zeit. Bis zum Fädenziehen bleibe ich nicht hier, das kann daheim mein Hausarzt machen."
Da es bis zum nächsten Operationstag noch zwei Tage waren – wir operierten ausser in Notfällen nur zweimal in der Woche – hatte er ein wenig Zeit, sich in der Kolonie umzusehen. Er stellte fest, wie unendlich schwer es die mennonitischen Siedler hier hatten, sich in dieser weg- und wasserlosen Halbwüste zu behaupten. Unsere Strassen waren ja im Grunde genommen nichts als Schneisen, die man von einem Dorf zum anderen in den Busch gehauen hatte, und in die 500 km entfernte Hauptstadt Asunción gab es überhaupt noch keine Strassenverbindung, so dass wir völlig autark lebten.
Wir operierten Vern Buller, nachdem wir uns auf ein paar Lieder geeinigt hatten, die er auf englisch und wir auf deutsch kannten. Wir sangen also zweisprachig und vierstimmig. Als ich "finished" sagte, rief er aus: "What? Really? I didn’t feel a stitch! ..." (Was? Wirklich? Ich habe nicht einen Stich gespürt. So sind Sie also wirklich kein Lügner, und es war der Mühe wert, von Montana bis in Ihr kleines Buschhospital zu reisen.)
Beim Abschied sagte er: "Sie hören noch von mir."
Es vergingen Monate, von Vern Buller hörten wir nichts. Bis eines Tages die Nachricht kam, Vern Buller sei auf dem Weg zu uns und bringe seine sämtlichen Strassenbaumaschinen mit, um hier zwei Jahre zu bleiben und Strassen zu bauen.
Er kam und erzählte mir folgende unglaubliche Geschichte:
"Ich bin Farmer und habe zwei Farmen, eine im Norden der USA und eine im äussersten Süden, jede 1000 Acres (500 ha) gross. Im Frühling fliege ich in den Süden und bestelle dort meine Felder, dann fliege ich in den Norden, wo der Frühling vier Wochen später beginnt und bestelle dort meine Farm. Im Sommer, wo alles von alleine wächst und nichts für mich zu tun ist, bin ich Strassenbauunternehmer. Zur Erntezeit mache ich es wieder so, zuerst die Farm im Süden, dann die im Norden. Im Winter baue ich dann im Süden Strassen, da es ja im Norden zu kalt ist. Als ich mich nun bei ihnen ein bisschen umgesehen hatte, dachte ich bei mir: Diese Siedler können ja nie im Leben auf einen grünen Zweig kommen, solange sie keine Strassen und keinen Anschluss an die Welt bekommen. Warum fährst du nicht hin und baust ihnen Strassen? Zuerst versuchte ich, eine Regierungsstelle zu finden, die dieses Unternehmen finanzieren wollte, Entwicklungshilfe oder so. Aber alle meine Versuche schlugen fehl. Niemand wollte es finanzieren. Da dachte ich: Dieser deutsche Doktor da unten hat seine Heimat und alles im Stich gelassen und ist auf eigene Faust, ohne von daheim bezahlt zu werden, in den Busch gegangen. Du hast bis jetzt nur für dich selber gearbeitet. Wenn dich also keiner schicken will, dann geh auf eigene Rechnung, leisten kannst du dir’s ja. So habe ich denn meine beiden Farmen auf zwei Jahre verpachtet, meine Strassenbaumaschinen aufs Schiff verladen und bin mit meiner Frau und den drei Kindern hergeflogen. Die Kinder sollen hier in die Schule gehen, es schadet nichts, wenn sie auch Deutsch lernen."
Als die zwei Jahre um waren, hatte er ein paar hundert Kilometer Strasse gebaut. Er schenkte der Kolonie seine ganze Maschinerie, da sich der Transport zurück in die USA nicht lohnte. Ich bekam seinen Jeep. Das war mein erstes Auto (ich war 38 Jahre alt) und das zweite Auto im ganzen Chaco überhaupt. Natürlich habe ich es nicht als mein Eigentum betrachtet, sondern als Dienstwagen fürs Krankenhaus. Da es schon reichlich betagt war, sprang es nicht an, wenn man abfahren wollte, so dass das Krankenhauspersonal immer anschieben musste. So sagte eine meiner Krankenschwestern einmal: "Ach, jetzt ist mir klar, warum man dieses Auto "Schieb" (Jeep) nennt: Weil man es immer anschieben muss!"
Jedes mal muss ich auch ueber die Sonnenuntergaenge staunen:
Haette noch mehr zu erzaehen, mache aber aus Zeitgruenden ein andermal weiter,
wiedermal viele gruesse aus paraguay.
Hi Nils,
AntwortenLöschenklingt ja echt spannend was du da so erlebst!!! Ich bin ja eh für Südamerika schnell zu begeistern und freu mich mal was von dir und deiner Zeit zu lesen.
Ich wünsch dir auf jeden Fall noch Gottes Segen und gutes Arbeiten.
Bist du nächstes Jahr wieder auf ner Freizeit dabei???